Wenn die blinden Fußballer des Vital-Sportvereins (VSV) und des Berufsförderungswerks (BFW) Würzburg dem Klingelball nachjagen, sind blaue Flecken vorprogrammiert. Das weiß auch Sven Lotter aus Dittwar bei Tauberbischofsheim. Der gelernte Kfz-Elektriker war berufstätig, bis sein Sehvermögen 2009 stark nachließ. Im BFW Würzburg, einem Bildungszentrum für sehbehinderte Erwachsene, macht er sich zurzeit fit für die Rückkehr ins Berufsleben. In gut zwei Jahren wird er seine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten abschließen. Sein Comeback auf dem Fußballplatz kommt schneller.
Denn der 41-Jährige spielt wieder Fußball. Blindenfußball, um genau zu sein. Am Samstag 14. und Sonntag 15. April startet die Blindenfußball-Saison mit dem ersten Bundesliga-Spieltag in Stuttgart. Für Sven Lotter kein Wochenende wie jedes andere. Der ehrgeizige BFW-Teilnehmer bestreitet dann seine ersten beiden Bundesligaspiele im Blindenfußball.
Fußball klappt auch blind
Fußball spielen, ohne zu sehen? „Das klappt viel besser, als man denkt“, betont Sven Lotter. Er muss es wissen. Seit knapp einem Jahr trainiert der blinde Sportler jeden Donnerstag mit Bayerns einzigem Blindenfußball-Bundesligateam auf dem Platz des BFW Würzburg. Mit Talent und Fleiß steht er jetzt vor seinem ersten Einsatz in der Blindenfußball-Bundesliga. „Zum Saisonstart spielen wir gegen Marburg und gegen die SG Berlin/Braunschweig. Zwei ganz schwere Brocken“, umreißt er die schwere Aufgabe am Samstag und Sonntag.
Saisonziel ist erneut Platz 4
2006 wurde die körperbetonte Mannschaftssportart für blinde und stark sehbehinderte Sportler in Deutschland eingeführt. Das BFW und der VSV Würzburg waren unter Anleitung der Trainer Ansgar Lipecki und Martina Junker vor vier Jahren Gründungsmitglied der Blindenfußball-Bundesliga. In der letzten Saison war die Mannschaft so gut wie noch nie und landete als Spielgemeinschaft (SG) mit den Kickern aus Mainz in der Endabrechnung auf einem sehr guten 4. Tabellenplatz. Mit Nationalspieler Sebastian Schäfer hat das Team einen echten Goalgetter in seinen Reihen. Der Vollblutstürmer erzielte letztes Jahr 12 von 13 Würzburger Toren. Und neben Sven Lotter konnte mit Torwart und Guide Carlo Schulz ein weiterer Neuzugang für den Würzburger Bundesliga-Kader verpflichtet werden. „Es wäre super, wenn wir unseren 4. Platz wiederholen können“, gibt das Trainerteam Martina Junker und Ansgar Lipecki als Saisonziel aus. Titelfavorit ist erneut der MTV Stuttgart, ab Platz 2 jedoch sei alles offen, so die Einschätzung.
Wie funktioniert Blindenfußball?
„Das Schöne am Blindenfußball ist, dass Sportbegeisterte mit und ohne Handicap zusammen in einem Team spielen“, stellt Sven Lotter klar. Gespielt wird Blindenfußball mit fünf Spielern pro Team auf ein handballgroßes Feld und Handballtore. Es gibt einen sehenden Torwart und vier blinde Feldspieler, die den Ball ausschließlich über die darin befindlichen Schellen orten. Von außen können zwei Guides pro Mannschaft zusätzlich Kommandos zurufen und die Spieler dirigieren. Wichtig sind die beiden Längsbanden, an denen sich die blinden Fußballer orientieren. Dort spielen sich oft eishockeyähnliche Zweikämpfe ab.
“Der Sport ist nichts für Weicheier“, macht Sven Lotter abschließend klar und legt sich für den Spieltag in Stuttgart schon einmal Schienbeinschoner, Tiefschutz und Kopfschutz zurecht. Das ist in der Blindenfußball-Bundesliga Vorschrift, denn intensiver Körperkontakt ist beim Kampf um den Klingelball vorprogrammiert. Am meisten aber freut er sich auf die Resonanz der normal sehenden Zuschauer. „Die können oft gar nicht glauben, wie gut wir mit dem Ball umgehen“, weiß er von den Schilderungen seiner blinden Mannschaftskollegen.
Das Blindenfußball-Bundesliga-Team von VSV und BFW Würzburg: (Sitzend von links) Sven Lotter, Güngör Bayram, Enrico Göbel, Bernd Bergmann, Marcel Heim. (Stehend von links) Mannschaftsarzt Dr. Marc Schwengber, Sebastian Schäfer, Carlo Schulz, Trainerin Martina Junker, Trainer Ansgar Lipecki. Es fehlen: Jens Pleier sowie die Guides Carina Bindhammer, Thomas Bösch und Christoph Hoffmann)
Autor und Foto: Marcus Meier